Oper im Kino: Springt der Funke über?

Live-Übertragungen in Kinos sind stark im Kommen: Ob nun Theaterstück aus der Royal Opera in London, einziges Deutschlandkonzert oder Oper direkt aus der MET – mit neuester Bild- und Tontechnik werden einzigartige Live-Erlebnisse plötzlich einem exponentiell gesteigertem Publikum eröffnet. Zu einem massiv günstigeren Preis, ohne Kleidungszwang und mit konstanter Popcorn- und Getränkezufuhr zur Aufrechterhaltung des Blutzuckerspiegels. Vor allem Letzteres finde ich extrem ansprechend und wage das Selbstexperiment: Oper im Kino!

Experiment: Oper im Kino! Die Ausgangslage

Mein erstes Opernerlebnis war zugegebenermaßen recht traumatisch: Auf einem mehr Hör- als Sichtplatz habe ich vor einigen Jahren den ersten Schritt gen Live-E-Musik gewagt. Wagner: Parsifal. Hätte ich doch bloß vorher mal reingehört! Es begann ein fünfstündiger Kampf gegen Dunkelheit und schwer-zugängliche Melodien, der nicht nur mich, sondern auch meine Begleitung in Trance und kurzfristigen Tiefschlaf versetzte. (Ich möchte mich hiermit bei unserem unbekannten Sitznachbarn, der nach der Pause nicht mehr neben uns auftauchte, sowie allen Opernkennern, die gerade entrüstet über meinem musikalischen Banausentum die Hände über dem Kopf zusammenschlagen, zutiefst entschuldigen. Wirklich!)

Nach dieser nicht ganz unproblematischen Operninitiation war ich also gewissermaßen skeptisch und wollte für weitere Opernerlebnisse definitiv nicht tief in die Tasche greifen… Großes Plus hier für die Kino-Übertragung, die zwar gut doppelt so teuer wie die normale Kinokarte, aber für Oper immer noch ein grandioser Schnapper ist.

Oper zum Kennenlernen

Auch wenn Vorangegangenes es nicht unbedingt vermuten lässt: Ich mag klassische Musik ganz gern. Ich kenne nur nicht ganz so viel. Konkret: Wäre meine Kenntnis an klassischer Musik die Eisbergspitze, die 1912 über den Meeresspiegel herausragte, wäre die Titanic wahrscheinlich nicht untergegangen. Doch wie nähert man sich klassischer Musik bzw. in diesem Fall Opernmusik am besten an? Ich setze mich eher selten für drei Stunden (oder mehr) auf mein Sofa und höre ein durchkomponiertes Meisterwerk. (An Liegen ist hier sowieso nicht zu denken, wir erinnern uns an den Parsifal-Vorfall.) Live macht das ganze auf jeden Fall am meisten Sinn.

Ich lernte also nicht aus meinen Fehlern und hörte NICHT zuerst in die Oper rein, sondern kaufte mir einfach Karten für die Live-Übertragung von Benjamin Brittens Oper „Peter Grimes“, weil der Flyer spannend aussah und die Kritiken wirklich gut schienen. Mit nahm ich: Meine Parsifal-Leidensgenossin! (Eine so wichtige Variable in der Versuchsanordnung kann man schließlich nicht ändern! 😉 )

Springt der Opern-Funke im Kino über?

Bewaffnet mit den neuen Normalgrößen an Getränken und Popcorn, die oft der Tagesration einer Kleinfamilie gleichkommen, gingen wir also ins Kino und machten direkt den ersten Fehler: Eine Live-Übertragung fängt natürlich pünktlich an! Oper im Kino also ungleich Werbung oder Trailer. Über die wenigen verpassten Minuten trösteten der kostenlose Empfangssekt sowie der Opernflyer aber schnell hinweg.

Und was dann kam, war wirklich atemberaubend: Nahaufnahmen der Darsteller, Aufnahmen aus Sicht der Operndarsteller selbst (also von der Bühne aus in den Publikumsraum des London Coliseum), ein Hintergrundbericht zur Produktion mit Interviews der Darsteller und des Teams sowie Behind-the-Scenes-Aufnahmen, Nahaufnahmen des für das restliche Publikum im verborgenen Graben spielende Orchesters und natürlich vor allem eine Wahnsinns-Bühnenproduktion!
Natürlich weiß ich, dass es immer noch etwas anderes ist, wenn man selbst in dem selben Theatersaal wie die Sänger und Musiker sitzt, aber das Gefühl gleichzeitig mit Besuchern in London dieses Meisterwerk hören und sehen zu können, war an sich toll – und der Klang war so gut, dass man auch im Kino Gänsehaut bekommen hat!

Fazit: Oper im Kino – ein mehr als geglücktes Experiment!

Wir sind also nicht nur nicht eingeschlafen, wir waren mehr als begeistert! Zwischendrin tuscheln, entspannt essen und trinken können (nicht zu verachten bei mehreren Stunden!), keine langen Schlangen in der Pause – alles top! Einziges Manko ist der Preis. Der ist nämlich doch nicht so ein Schnapper, da ich nun a) selbst unbedingt mal ins London Coliseum gehen möchte und b) „Peter Grimes“ wohl auch definitiv mal live angucken muss, wenn die Oper hier in Hamburg spielt!

Ihr wollt auch ein Selbstexperiment wagen? Dann schaut mal hier vorbei!

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